Neben der medikamentösen Therapie, der Physiotherapie und unzähligen Varianten der Psychotherapie gibt es auch unbekanntere Therapieformen für Krankheiten. Darunter zählen beispielsweise die verrufene Elektro-Krampf-Therapie – die wird im Übrigen auch heute noch angewandt, aber niemals gegen den Willen der Patienten – die Lichttherapie oder auch die Kinotherapie. Ja, Filme können eine heilende Wirkung haben:
In Filmen wurde das Thema Psychiatrie und Psychotherapie bereits mehrere tausend Mal behandelt. Es gibt schräge Therapeuten, sehr gute Therapeuten und diabolische Therapeuten. Das Spektrum reicht von Hannibal Lekter über die strengen Verordnungen im Film „Einer flog über das Kuckucksnest“ und dem verzweifelten Therapeuten von Monk bis zum Wunderheiler, der den schwierigsten Patienten in wenigen Sitzungen von tiefgreifenden Störungen vollkommen heilt. Natürlich ganz ohne Rückfälle. Aber nicht nur einen gewissen Erfahrungswert können Filme vermitteln, sie können auch tatsächlich als Behandlungsmittel eingesetzt werden.
Seit einiger Zeit gibt es die sogenannte Cinematherapy. Kernpunkt ist die Erfahrung, dass Filme eine enorme Wirkung auf die menschliche Psyche haben können. In 90 Minuten wird eine regelrechte Gefühlsachterbahn absolviert. Trauer, Wut, Angst, Freude, sogar Scham und Schuld können in diesem Zeitraum lebensecht übermittelt werden. Der Therapieeffekt zielt nun genau auf diese Wirkung ab. Protagonisten können zudem eine Vorbildwirkung haben. Ein Film, in dem ein Schritt gewagt wird, der das gesamte Leben verändert – und natürlich auch gut ausgeht – kann eine Person in einer ähnlichen Lage motivieren dasselbe zu tun. Identifikation ist das wesentliche Element dieser Wirkung. Dadurch, dass wir uns mit den HauptdarstellerInnen identifizieren, nehmen wir kurzzeitig ein kleines Stück ihrer Identität an. Dieses kleine Stück kann aber ausreichen um auch größere Veränderungen in unserem Leben zu bewirken. Ein höchst inspirierender Film über einen Marathonläufer kann dazu anregen plötzlich für einen Marathon zu trainieren.
Abseits der Filme können auch Serien einen starken Einfluss haben, da diese Wirkung nicht einmal 90 Minuten intensiv erlebt wird, sondern monatelang, wenn nicht jahrelang eine kumulative Wirkung aufbaut. Vorbilder in Serien können zudem ganze Generationen Heranwachsender beeinflussen.
Im Therapiesetting können Filme zudem gezielt eingesetzt werden um bestimmte Situationen „erlebbar“ zu machen. Gefühle oder Handlungsweisen, die in der Therapie immer wieder problematisch schienen, können so aus sicherer Distanz bearbeitet werden – immer mit dem Abschaltknopf in sicherer Entfernung. Filme sind zudem relativ leicht erhältlich und kosten weit weniger als ein Gerät für die Lichttherapie. Dafür ist die Wirkung des Films zwar spürbar vorhanden, dennoch auf dem Gebiet der Psychotherapie noch relativ wenig erforscht. Ein Ansatz, der es wert ist, verfolgt zu werden.
Quelle: Poltrum, M.: Existenzanalytische Kinotherapie, 2009; Cinematherapy in der Suchtbehandlung, 2009.
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